Der Steinwälzer

(Februar 2005)


Im Winterhalbjahr fallen dem Strandspaziergänger an unseren Küsten etwa starengroße Vögel auf, die, wenn man sich ihnen nicht allzu offenkundig nähert, nicht besonders scheu sind und den Beobachter auf wenige Meter heranlassen. Doch wird man die letzten Meter nur äußerst mühsam zurücklegen können, denn das Reich des Steinwälzers sind Steine wie sie an felsigen Küstenabschnitten, an Hafenmolen und an Steinschüttungen, die als Wellenbrecher fungieren, zu finden sind. Dieser Watvogel scheint genau zu wissen, dass der Beobachter, der sich ihm mühsam über die rutschigen und glatten Steine nähert, viel zu langsam und unbeholfen ist, um ihn zu gefährden. Die Steinwälzer, die im internationalen Wattenmeer erscheinen, kommen aus zwei verschiedenen Herkunftsgebieten: Auf ihrem Weg zu den Winterquartieren in Westafrika und auf dem Rückweg in ihre Brutheimat rasten die Brutvögel Skandinaviens und West-Russlands im Frühjahr und Herbst im Wattenmeer.

Die Steinwälzer Grönlands und Nordostkanadas dagegen überwintern in Westeuropa, hauptsächlich in Großbritannien aber auch im Wattengebiet. Im Mai sind die Populationen beider Herkunftsgebiete im Wattenmeer zu finden. Ganz vereinzelt brüten Steinwälzer auch im schleswig-holsteinischen Wattengebiet.

 

 


Mit 23 cm Körpergröße ist der Steinwälzer etwas größer als ein Star. Im Prachtkleid ist er auffällig bunt gefärbt: rotbraune Federn zieren seinen Rücken und schwarze und weiße Federn wechseln sich ab. Im Schlichtkleid ist der Steinwälzer lange nicht so kontrastreich und oberseits statt rotbraun nur düster schwarzbraun gefärbt. Im Flug fällt das weiße Muster auf Flügeln, Rücken und Schwanz auf. Die Beine sind im Prachtkleid leuchtendrot, im Jugend- und Schlichtkleid eher orangegelb gefärbt.

Steinwälzer brüten an der Küste und an der Küste vorgelagerten Fels- und Sandschären an oft recht unterschiedlichen Stellen auf teils beweideten Strandwiesen und in Sümpfen mit relativ dichter Vegetation, aber auch auf trockenen Hängen, in der Felsentundra und in Felsschären mit mehr oder weniger viel Schotter. Nie sind die Nester mehr als 200-300m von Feuchtgebieten entfernt. In der Nähe des Brutplatzes muss auch immer freie Sicht sein. Steinwälzer haben immer nur eine Jahresbrut. Sie legen vier Eier und bebrüten das Gelege nach Ablage des dritten Eies. 22 Tage nach Ablage des letzten Eies schlüpfen die Jungen, die zwei Wochen gehudert werden und mit 26 Tagen voll flügge sind, aber zur Not auch schon mit 19 Tagen bei Gefahr fliegen. Zur Brutzeit ernähren sich die Vögel hauptsächlich von Insekten, doch sind sie recht anpassungsfähig und Flohkrebse, Muscheln, Würmer und Schnecken können zur Hauptnahrung werden. Dort wo vorhanden, werden selbst Küchenabfälle aufgenommen. Auch Aas, z.B. an Land gespülte Muscheln und Fische und verendete Strandvögel, wird gefressen. Moose, Algen und Beeren finden sich ebenfalls auf dem Speiseplan und selbst Seepocken werden aufgelesen. Den Namen Steinwälzer haben die Vögel erhalten, weil sie unermüdlich Nahrung zwischen den Steinen suchen und dabei auch kleinere Steine umdrehen.

 


Hier auf Ameland, wo die Fotos entstanden, ist der Steinwälzer außer auf Steinschüttungen auch am Strand selbst zu finden. Vielleicht hat er den Sanderlingen bei ihrer Nahrungsaufnahme so genau zugeschaut, dass er in der Lage ist wie sie Beute zu machen. Auch auf den Wiesen und Weiden der Insel findet man die Vögel, wenn sie in Gesellschaft von Kiebitzen, aber auch von Goldregenpfeifern und Wacholderdrosseln rasten.