Der Sandlaufkäfer
(August 2005)
Es gibt Momente im Leben, in denen man nicht beobachtet werden möchte. So schließt man sich zum Beispiel im Badezimmer ein, wenn man nach einer durchfeierten Nacht und viel zu kurzem Schlaf versucht, seinem Spiegelbild wieder Ansehnlichkeit zu verleihen. Noch verheerender wäre es, während des Fotografierens von Sandlaufkäfern beobachtet zu werden; möglicherweise käme sogar der ein oder andere auf die Idee, schnell die Jungs, die über die weißen Zwangsjacken verfügen, anzurufen. Da ich dieses Risiko keineswegs eingehen möchte, fotografiere ich Sandlaufkäfer am liebsten in einem stillen, von Besuchern eigentlich so gut wie nie aufgesuchten Naturschutzgebiet in unserer unmittelbaren Nähe. In diesem sandigen Gebiet sind die Käfer noch häufig anzutreffen und gleich zwei Arten kommen hier vor: der Braune Sandlaufkäfer, auch Dünen-Sandlaufkäfer genannt (Cicendela hybrida) und der Feld-Sandlaufkäfer (Cicendela campestris). Wenn ich diese kleinen Käfer entdeckt habe, beginne ich mich dem Ritual, dass dem unvoreingenommenen Beobachter sicher etwas fremd vorkommen würde: ich laufe ein paar Meter, knie mich hin, robbe auf Knien ein paar Meter, springe wieder auf, knie mich hin, robbe wieder ein paar Meter... In der Tat braucht man zwei wichtige Voraussetzungen, wenn man Laufkäfer fotografieren möchte: a) eine gute Kondition und b) einen ungestörten Flecken bzw. Hemmungslosigkeit. Da ich über letztere nicht verfüge, suche ich wie erwähnt immer den ungestörten Flecken auf.
Die gute Kondition habe ich mir in jahrelangem Training erarbeitet: ich sitze vor dem PC, springe auf, hole mir was (meistens eine Tasse Kaffee oder eine Flasche Bier), setze mich hin, springe wieder auf. So gerüstet und mit guter Kondition versehen, kann man den kleinen Käfern auf die Flügel rücken, denn sie sind nicht nur exzellente Flieger, die sich bei jeder Annäherung katapultartig gen Himmel erheben, sondern hervorragende Läufer. In „meinem“ Naturschutzgebiet entdeckte ich die kleinen Flieger auch schnell - leider nur als Flieger- so war erst mal nichts zu machen. Jetzt war meine gute Kondition von Nöten... Laufkäfer fliegt auf, aber nie weit weg. Ich also hinterher. Laufkäfer landet. Rennt durchs Gras. Ich auf die Knie, hinterher gerobbt! Laufkäfer katapultiert sich wieder hoch. Ich auch. Laufkäfer fliegt- ich renne. Laufkäfer landet. Laufkäfer läuft eilends durch die Vegetation. Ich auf die Knie - hinterhergerobbt....Eine Weile wiederholen sich die Ereignisse immer wieder. Ratet mal, wer die bessere Kondition hatte?
Jedenfalls brauchte der Laufkäfer irgendwann eine Pause; er konnte einfach nicht mehr. Er musste Kraft tanken, Wärme aufnehmen, auf einem trockenen Blatt sitzen bleiben. Nun war meine Chance gekommen. Bei der letzten Winterolympiade hatte ich den Biathleten zugesehen und wusste, wie ich meinen Puls auf Normalmaß bringen konnte, um verwacklungsfrei mit der Kamera die Schüsse abgeben zu können. So also kam ich noch zu meinen Aufnahmen - hier ein wenig verkürzt dargestellt!
Dünen -Sandlaufkäfer und Feld- Sandlaufkäfer gehören zur Familie der Laufkäfer (Carabidae). In Mitteleuropa gibt es mehr als 750 Laufkäferarten aus 80 Gattungen, die meist am Boden leben. Sandlaufkäfer bilden eine eigene Unterfamilie (Cicindelinae). In Europa gibt es 30, in Mitteleuropa 11-12 Arten. Die einzige mitteleuropäische Gattung der Familie stellen die Sandlaufkäfer dar (Cicindela). Der Dünen-Sandlaufkäfer und der Feld-Sandlaufkäfer gehören zu den häufigsten Arten der Gattung. Sie kommen in lichten, sandigen Wäldern vor, in Sand- und Kiesgruben, auf Sandtrockenrasen, an sandigen Ufern und in Dünen. Die Larven der Sandlaufkäfer und die erwachsenen Käfer (Imagines) sind räuberisch und fressen hauptsächlich Ameisen, Spinnen und andere Käfer. Sandlaufkäfer sind vor allem bei starker Sonneneinstrahlung aktiv. Da die Larven in selbst gegrabenen Erdröhren überwintern, erscheinen die Käfer schon früh im Jahr. Die Larven jagen aus der Öffnung ihrer Erdröhren im Umfeld Insekten. Beute von der Größe eines Weichflügelkäfers können Sandlaufkäfer aus etwa 20-30 cm Entfernung noch wahrnehmen, eine Ameise noch aus etwa 10 cm. Durch Wegfliegen und Weglaufen versuchen die Sandlaufkäfer Feinden zu entkommen und erreichen dabei eine Geschwindigkeit von bis zu 58 cm in der Sekunde (also etwa 2km/h).
Alle Laufkäferarten sind laut Bundes-Artenschutzverordnung gesetzlich geschützt.